Patient:innenmobilität in Deutschland — und warum noch viel zu tun ist Überlastung, Überforderung, Druck und Personalmangel. Diese Schlagwörter liest und hört man heutzutage immer wieder im Kontext des Gesundheitswesens. Fast die Hälfte der Bundesbürger:innen sehen das Gesundheitssystem in Deutschland als überlastet an. Die Pflege und die Ärzt:innen im Krankenhaus sind besonders von der Pandemie betroffen. Auch Arztpraxen haben mit zusätzlichen Problematiken zu kämpfen. Die Aufmerksamkeit, welche Ihnen zusteht, wächst auf ein neues Niveau. Doch das reicht nicht. Nicht nur zu Ausnahmezeiten wird die Pflege vernachlässigt, auch im “normalen” Tagesgeschäft gibt es viel Potenzial für Verbesserungen. Auch der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die Wichtigkeit von gut ausgerüsteten und funktionierenden Krankenhäusern erkannt und sicherte ihnen Unterstützungen auf diesem langen und schweren Weg zu. Ein neues Krankenhauszukunftsgesetz soll helfen und den Gesundheitssektor digitaler gestalten. Dafür stellt der Bund fleißig Gelder zur Verfügung. Alleine 3 Milliarden Euro sollen dort fließen. Weitere 1,2 Milliarden werden von den Ländern zur Verfügung gestellt. Das Problem ist groß. Die Krankenhäuser, also die Eckpfeiler der Krankenversorgung in allen Gesundheitssystemen, haben mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen. Auch in Arztpraxen ist die Not und das Verbesserungspotenzial groß. Schauen wir uns die Herausforderungen bei Patient:innen-Beförderungen an. Die Ausgangslage In der Europäischen Union ist Deutschland in vielen Bereichen Vorreiter. Auch in der Anzahl der Patientenbewegungen, also der Anzahl der Personen, die das Krankenhaus betreten und verlassen müssen. Rund 24.400 von 100.000 Einwohnern müssen pro Jahr aus Krankenhäusern entlassen werden. All diese Personen müssen zum Krankenhaus kommen und auch wieder in ihr Eigenheim zurück gebracht werden. So beschreibt Dr. Wibbeling von Fraunhofer-Institut eine funktionierende Infrastruktur im Krankenhaus als einen essentiellen Faktor. Das ist nicht verwunderlich. Auch die Fahrten zu Arztpraxen bei ambulanten Behandlungen kommen hinzu. Im Jahr 2020 entstand so die unglaubliche Zahl von über 50 Millionen Rettungsfahrten und Krankentransporten. Bei diesen Wörtern denkt man vielleicht automatisch an das grelle Blaulicht und das Sirenen-Geheul eines Krankenwagens, oder doch an die schmetternden Rotoren eines Rettungshelikopters. Doch weit gefehlt. Über 37 Millionen Fahrten dieser Art wurden, im Vergleich ganz einfach, mit einem Taxi oder Mietwagen durchgeführt. Mit dabei sind auch Fahrten zu Untersuchungen wie bspw. zum Röntgen oder zur Dialyse. Diese Art der Krankenbeförderung gewinnt damit mit Abstand die Goldmedaille. Weit abgeschlagen auf Platz 2 befinden sich Krankentransporte mit nur knapp 5,4 Millionen Fahrten. Dies sind die eigentlichen Fahrten zu Krankenhäusern. Also ca. 566 jeden Tag, alleine in Einer. Dementsprechend mindestens 566 täglich stressige, wichtige Telefonate und das nur mit Patient:innen. Hinzu kommt der Aufwand für die komplexe und langwierige Organisation der Buchung und Koordination mit Fahrdiensten. Es ist nicht verwunderlich, dass es dabei oft zu stundenlangen Wartezeiten für Patient:innen kommt. Ein Faktor, der ebenso in die Komplexität der Patientenbeförderungs-Buchungen bei Krankenhäusern einspielt, ist der Wandel der Krankenhauslandschaft im vergangenen Jahrzehnt. So erfuhr Deutschland eine deutliche Reduktion der angebotenen Krankenhaus-Bettenzahlen. Auch die Verweildauer je Behandlungsfall hat sich verringert. Zwischen den Jahren 1991 und 2019 reduzierte sich die Anzahl der Betten von gut 665.000 auf nur 495.000. Die durchschnittliche Verweildauer sank fast um die Hälfte (von 14,0 auf 7,2 Tagen pro Patient:in). Diese Zahlen sind im Kontext der Beförderung von Patient:innen in vielerlei Hinsicht bedenklich. Weniger Betten bedeutet mehr Aufwand, um für die Patient:innen das richtige Krankenhaus mit der richtigen Abteilung zu finden. Wenn ein Krankenhaus voll ist, muss das nächste kontaktiert werden. Besonders akut wird diese Entwicklung in Verbindung mit der Anzahl der Behandlungsfälle. Diese stieg in dem beschriebenen Zeitraum um knapp 5 Millionen, von 14,6 auf 19,4 Millionen Menschen. Auch die erforderliche Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit der Organisatoren muss stetig mit der sinkenden Verweildauer der Patient:innen ins Gedächtnis gerufen werden. Kürzere Verweildauer bedeutet mehr Nachfrage nach Beförderung für Hin und Zurück — und das schnell und flexibel. Eine weitere Entwicklung, welche die Wege der Patient:innen nicht kürzer gemacht hat, ist die stetig ansteigende Privatisierung und Gewinnorientierung der Krankenhäuser. Im Jahr 1992 waren lediglich 14,8 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland in den Händen von privaten Trägerschaften. Nur 27 Jahre später wuchs dieser Wert auf 37,8 Prozent an. Gewinnorientierung ist in unserer Gesellschaft stark verankert. Wir alle profitieren und verlieren in gewisser Art und Weise davon. Für das Krankenhauspersonal und die Leitstellen kann dies allerdings ein Albtraum sein, besonders im Bezug auf Beförderung von Patient:innen. Durch die Gewinnorientierung werden zunehmend weniger profitable Abteilungen in Krankenhäusern geschlossen. Man kann eine Spezialisierung auf Behandlungsbereiche in der Klinik-Landschaft beobachten. Das mag einige Vorteile haben, bedeutet aber auch, dass die Wege und somit die Anreise der Patient:innen oft länger werden. Wenn eine Orthopädie schließt, muss man eben zur nächsten kommen. Egal, wie weit entfernt. Wie geht es weiter? Im Ranking der besten Gesundheitssysteme weltweit belegt Deutschland den zweiten Platz. Die beschriebenen Probleme sind also keine “Show-Stopper”. Vielmehr werden innovative und zielgerichtete Lösungen gebraucht, welche den Menschen, egal ob Patient:in, Krankenhaus‑, Leiststellen- oder Fahrt-Personal, helfen, diese Hürden zu überwinden. Mit der Integration solcher Lösungen, kann das geschafft werden. Kapazitäten und Budgets wurden geschaffen. Das Innovationsland Deutschland hat die Möglichkeit, entscheidende Prozesse anzustoßen. Nach dem “Bloomberg Innovation Index 2020”, welcher auf den sieben gleich gewichteten Kategorien R&D Intensity (Research & development expenditure), Manufacturing value-added, Productivity, High-tech density, Tertiary Efficiency, Researcher Concentration und Patent Activity, basiert, ist Deutschland das innovativste Land der Erde. Es kann also an den Startups liegen, passende Lösungen für komplexe Probleme zu kreieren. Die Infrastruktur dafür ist geschaffen. Platz 1 im Gesundheitssysteme-Ranking belegt übrigens Japan. Ein Land, dass für seine technologische Versiertheit und auch für die Startup-Landschaft berühmt ist. Folgen Sie uns auch gerne auf LinkedIn! Konstantin Leidinger